Liebe Unioner,

die Bilder und Erzählungen von unserem Hinspiel in Madrid sind Euch wahrscheinlich noch im Gedächtnis: die wenig königliche, vielmehr katastrophale Einlasssituation am Stadion und auch die eskalierende Eskortierung durch die spanische Polizei. Um letztere soll es heute gehen. Es ist durchaus kompliziert.

Das deutsche Polizeisystem ist übersichtlich, es ist dualistisch. Deutschland ist ein Bundestaat, eine Vereinigung aus einzelnen Gliedstaaten, den Ländern, zu einem Gesamtstaat, dem Bund. Dementsprechend besteht die deutsche Polizei aus den Polizeibehörden der Länder und den Polizeibehörden des Bundes (Bundespolizei und Bundeskriminalamt).

Das System der spanischen Polizei ist dagegen komplex und selbst für manch Einheimische schwer nachzuvollziehen. In Spanien gibt es nicht „Die Polizei“, sondern verschiedene Sicherheitskräfte und Polizeikörper (Fuerzas y Cuerpos de Seguridad). Für das Verständnis muss man die territoriale Organisation Spaniens betrachten. Nach dem Ende der Franco-Diktatur entstanden in den Jahren 1979 bis 1983 die heutigen 17 Regionen bzw. autonome Gemeinschaften (Comunidades Autónomas), zu denen z.B. Andalusien, Balearen, Katalonien oder Madrid zählen. Hierbei handelt es sich um sog. Gebietskörperschaften, die vergleichbar mit unseren deutschen Bundesländern sind. Allerdings besteht ein wichtiger Unterschied: Den spanischen Regionen fehlt die Eigenstaatlichkeit. Es handelt sich nicht um Gliedstaaten. Spanien ist daher im Gegensatz zu Deutschland kein Bundesstaat. Die nächste Gebietskörperschaft sind Provinzen (Provincias), von denen es insgesamt 50 Stück gibt. Während zehn Regionen aus mehreren Provinzen bestehen, sind sieben Regionen deckungsgleich mit einer Provinz, z.B. die Balearen oder eben auch Madrid. Die Provinzen sind weniger vergleichbar mit den deutschen Landkreisen als mit den bayerischen Bezirken und der dortigen Unterscheidung zwischen Bezirksverwaltung (Diputación Provincial) und Bezirksregierung (Delegación del Gobierno). Die niedrigste Gebietskörperschaft sind die Gemeinden (municipios), wobei in manchen Regionen noch eine Zwischenstufe mit unterschiedlichen Namen besteht (am häufigsten Comarca). Ein abschließendes Beispiel mit aufsteigender Reihenfolge: Vinaròs ist der Hauptort der comarca „Baix Maestrat“ in der Provinz „Castellón“ in der Region „Comunidad Valenciana“ im Staat „España“.

Wie hängen diese Ebenen nun mit dem Polizeisystem zusammen? Bis auf die Comarcas und Provincias können alle Ebenen einen eigenen Polizeikörper aufweisen. Auf der kommunalen Ebene (municipios) gibt es die Policía Local bzw. Policía Municipal, zu deren Aufgaben etwa die Überwachung öffentlicher Räume und gewisse Aufgaben der Verkehrspolizei zählen. Auf der obersten Ebene des Staates gibt es gleich zwei Polizeikörper: Guardia Civil und Policía Nacional. Während die Policía Nacional zivil organisiert ist und ausschließlich dem Innenministerium untersteht, untersteht die militärisch organisierte Guardia Civil zusätzlich dem Verteidigungsministerium. Wer von beiden für was zuständig ist, ist im Einzelnen kompliziert. Grob gesagt kommt es auf das Territorium an: Während die Policía Nacional bestimmte Aufgaben in den Provinzhauptstädten und in von der Regierung bestimmten Städten wahrnimmt, ist die Guardia Civil für den Rest des Staatsgebietes zuständig, also auf dem Land und in den Küstengewässern. Bei der Policía Nacional gibt es dann noch Spezialeinheiten für besondere Anlässe. Dazu zählen U.I.P., die sog. Unidades de Intervención Policial, vergleichbar mit der deutschen Bereitschaftspolizei, und G.O.E.S., die sog. Grupos Operativos Especiales de Segurida, vergleichbar mit der deutschen GSG 9. Wer in Madrid auf dem Fanmarsch in freundlicher Begleitung spazieren ging, vor dem Stadion in einer dichten Menschensammlung trillernde Polizisten auf Pferden bewunderte oder im Stadion schlagfertige Gespräche mit Polizisten führte, der durfte bereits Bekanntschaft mit U.I.P. machen. Die Truppe genießt einen zweifelhaften Ruf seit ihrem handfesten Umgang mit der spanischen Protestbewegung 15-M in den 2011er Jahren. Wer sich über das aggressive Vorgehen der eingesetzten Polizisten vor Ort wunderte: Für Einheimische war das ein Normalzustand und beinahe friedfertig.

Schließlich haben bestimmte Regionen, also autonome Gemeinschaften ihren eigenen Polizeikörper. Dazu zählen das Baskenland (Ertzaintza), Navarra (Policía Foral bzw. Foruzaingoa) und die Kanaren (Policía Canaria). Besonders hervorzuheben sind aus Katalonien die Geschwaderjungs, die Mossos d’Esquadra. 1721 gegründet und damit die älteste Zivilpolizei Europas. Die Jungs (mossos) genießen wie U.I.P. einen zweifelhaften Ruf: Fälle von Misshandlungen und Folterungen, gewaltsames Vorgehen bei Demonstrationen und Massenversammlungen. Bekannt wurden sie auch auf dem Höhepunkt der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung 2017, als sie sich mal ausnahmsweise durch Untätigkeit auszeichneten und die spanische Regierung tausende Polizisten von Guardia Civil und Policía Nacional nach Katalonien kommandieren musste, um für Recht und Ordnung zu sorgen.

Für uns wünsche ich heute einen versöhnlichen Abschluss der Gruppenphase!

Eisern Union

Dirk Gräning